Von der überzeugenden Idee zur medizinischen Innovation

Von der überzeugenden Idee zur medizinischen Innovation

Die Medizintechnik ist eine der innovativsten ABranchen überhaupt. Auch im Rahmen des Bachelorstudiums Systemtechnik an der NTB ist dieser Engineering-Bereich äusserst wichtig. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass Absolventen des Ingenieurstudiums Systemtechnik Innovationen in der Medizintechnik vorantreiben. Thomas Köppel, NTB-Absolvent und Geschäftsführer des Start-ups This AG, entwickelte das erste batteriebetriebene Phakosystem für den Einsatz bei Augenoperationen. «Sophi» gibt Operationsteams mehr Flexibilität und erleichtert dadurch medizinische Eingriffe deutlich. Im Interview erzählt Thomas Köppel, wie die Idee zu «Sophi» entstand, welche Herausforderungen Start-ups meistern müssen und wie ihm das Studium an der NTB dabei geholfen hat.

Sie haben an der NTB studiert. Welche Studienrichtung haben Sie damals gewählt?
An der NTB habe ich Elektronik-, Mess- und Regelungstechnik studiert, mein Diplom erhielt ich 1992.

Wieso haben Sie sich für diese Vertiefungsrichtung des Systemtechnik-Studiums entschieden?
Elektronik hat mich schon immer fasziniert. Ich glaube, es ist ein Virus, da mein Sohn aktuell auch eine Lehre als Elektroniker macht und die NTB bereits im Fokus steht. Ich bin ein Fan des dualen Bildungswegs, so wie er in der Schweiz umgesetzt wird. Die Kombination von Praxis und Theorie macht die Schweiz innovativ und stark in der Umsetzung. Das Resultat dieses Weges ist eine breit abgestützte Ausbildung, welche Tätigkeiten vom Einkauf über Research und Development bis zur Produktion ermöglicht.

Heute sind Sie Geschäftsführer der This AG in Heerbrugg. Wer steht hinter der Firma?
Die This AG wurde auf meine Initiative im Jahr 2014 gegründet. Das Unternehmen ist durch eine Private-Equity-Gruppe mit mehreren internationalen Investoren vollumfänglich eigenfinanziert. Diese finanzielle Eigenständigkeit ermöglicht der This AG völlig unabhängig eigene Interessen, Entwicklungen und Strategien im Weltmarkt umzusetzen.

Inwiefern sind auch andere ehemalige Studierende der NTB in die This AG involviert?
Gestartet habe ich in einem leeren Büro, in dem nur ein Besprechungstisch stand. Das Konzept und meine Ideen waren aber offensichtlich so überzeugend, dass sich bereits damals der erste NTB-Absolvent für die This AG entschied. Heute haben wir vom NTB zwei Spezialisten für Hardware- und Software-Entwicklung, einen Produktionsleiter, einen Applikationsspezialisten und sogar eine Dame! Sie ist im Bereich Einkauf tätig. Den Produktionsleiter und die Einkäuferin kannte ich aus früheren Tätigkeiten.

Wie entstand die Idee, ein solches Start-up zu realisieren?
Ich glaube, dass viele Ideen in mir waren – und auch der Wunsch, diese umzusetzen. Ich fand es spannend, zu sehen, ob die Chirurgen und das OP-Team die Arbeit der This AG als Hilfe oder als Spielerei sehen. Jetzt wissen wir, dass die Ideen und Erfindungen definitiv keine Spielerei sind. Da für ein solches Projekt enorme Investitionen notwendig waren, konnte ich dies nicht mit eigenen Mitteln stemmen. Banken helfen da auch nicht, das Risiko ist zu gross. Auch hier waren die Ideen aber so überzeugend, dass es Investoren gab, die in das Start-up investiert haben. Entscheidend dabei ist, dass man selber hundertprozentig überzeugt ist, dass man es schaffen kann. Es gibt viele Hindernisse in einem solchen Start-up. Mit einer guten Vorbereitung, Planung und schliesslich einem seriösen Vorgehen kann man es jedoch schaffen. Ich bezeichne unser Unternehmen aber auch in den nächsten paar Jahren noch als Start-up, weil man sich ständig neu erfinden und die Strukturen laufend anpassen muss.

Sie konzentrieren sich auf die Medizintechnik, insbesondere die Opthalmologie bzw. Augenheilkunde. Wieso wählten Sie diese Ausrichtung Ihres Unternehmens?
Ich war bis im Jahr 2006 bereits in der Branche der Ophthalmologie tätig. Anschliessend arbeitete ich bis zur Firmengründung als internationaler Projektleiter in der Branche der Kunststofftechnik und Elektronik. Immer wieder habe ich auf die Ausrüstung bei Katarakt-Operationen geschielt und überlegt, was man einfacher, sicherer und somit effizienter machen könnte.

Wie hat sich das Unternehmen seit der Gründung entwickelt?
In diesen bald fünf Jahren haben wir bereits 15 Mitarbeiter in den Bereichen Entwicklung, Produktion, Marketing und Verkauf, Qualität und natürlich auch Administration wie Buchhaltung und IT aufgebaut. Wir haben unsere Abläufe gemäss ISO 13485:2016 zertifiziert und unsere «Sophi» hat den Reifegrad des CE-Zeichens erreicht. Das sind gerade für ein KMU enorme Herausforderungen, da für uns derselbe Massstab gilt wie für Grossbetriebe. Im September 2018 durften wir unser Produkt an einer Fachmesse in Wien mit 20 000 Zuschauern vorstellen. Es war unglaublich, wie gross die Begeisterung von Chirurgen, OP-Personal und auch Distributoren war. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an das super This AGTeam für die hervorragende Leistung.

Die NTB setzt auf eine solide Ingenieursgrundbildung und fachliche Vertiefung. Inwiefern half Ihnen interdisziplinäres Wissen bereits in Ihrem Start-up?
Bei der NTB ist der Begriff des Interdisziplinären allgegenwärtig. Ich nenne es das Systemdenken. Ich finde das so wichtig, dass ich sogar die Firma danach benannt habe: This ist die Abkürzung von «Think in System». Dabei ist nicht nur das Systemdenken zwischen Mechanik und Elektronik wichtig, sondern auch zwischen Gerät und Chirurgen, Distributor, Workflow, von der Beschaffung bis zur Entsorgung – also im Kontext mit allen Beteiligten. Das Systemdenken behandelt speziell auch die Usability, für die es in der Medizintechnik sogar einen Standard gibt. Auch das Design ist ein Teil des Systems. Das Design auf schöne Formen zu reduzieren, wäre aber zu einfach. Ein gutes Design hat seine Funktion perfekt zu erfüllen. Erst wenn man das System gesamthaft begriffen hat, kann man es auch vereinfachen. So ist es sehr wichtig, dass wir nicht nur unsere primäre Aufgabe erfüllen, sondern auch links und rechts schauen, was vorgeht. Es gilt zu optimieren, bis das System mit nützlichen und vor allem sehr einfachen Funktionen assistieren kann.

Mit «Sophi» haben Sie ein innovatives Produkt entwickelt, das einzigartig ist. Wie kamen Sie auf die Idee?
Beobachten und schauen, was man optimieren kann. Lean Production im OP, also das Ausschalten jeglicher Verschwendung. Phakomaschinen gibt es schon genug. Mit unserer «Sophi » geht’s aber effizienter. Das Gerät ist mobil, einfach und sicher. Hinter diesen drei Säulen verbergen sich sehr viele Ideen und auch technische Lösungen.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Bei einem Chirurgen habe ich gesehen, dass er ein Frottiertuch zum besseren Manövrieren unter das Fusspedal gelegt hat. Da frage ich mich, was alles schiefgelaufen ist, dass ein Chirug im «sterilen» OP so etwas machen muss. Unsere Lösung war eine Art Hovercraft-Pedal, nur mechanisch gelöst. Funktioniert genial (einfach), ist hygienisch (sicher) und lässt sich hervorragend manövrieren (mobil).

Wie lief die Entwicklung von «Sophi» ab?
Es ist immer sehr wichtig, dass man gut plant und die Meilensteine möglichst einhält. Die Risiken müssen ständig aufgedeckt und möglichst früh Massnahmen eingeleitet werden. Es gilt, stets den Überblick zu bewahren. Abwarten geht nicht. So haben wir bis heute das Budget eingehalten, das wir im Jahr 2014 errechnet haben. Daneben wird die Elektronik, speziell die Software, immer komplexer. Aber auch einfache Sachen wie Verpackungsvalidierung oder der Nachweis zur Biokompatibilität von Sterilprodukten sind schwierige Themen, die man nicht zu spät anpacken sollte. Das ist natürlich herausfordernd, da man ja beispielsweise für Spritzgussteile zuerst die Tools machen, das ganze industrialisieren, alle Betriebsmittel aufbauen sowie den Reinraum bereitstellen muss und erst dann mit gewissen Biotests starten kann. Wer da keinen guten Zeitplan hat, hat bestimmt Monate oder Jahre Verzögerung.

Welche Erfahrungen aus der NTB unterstützten Sie bei der Entwicklung?
Eigentlich bin ich dem Rektor der NTB, Herrn Lothar Ritter, dankbar, dass er uns so extrem komplizierte Sachen beigebracht hat, die später kein Mensch braucht – vielleicht kann er mir die Sache mit dem Nullraum ja nochmals erklären. Gemeint ist das abstrakte Denken, das Analysieren, das Herunterbrechen, bis man es versteht. Die Kombination aus Praxis und Theorie. Und dann muss es einfach auch Spass machen. So war die Berechnung der Aufsteiggeschwindigkeit der Kohlesäureblasen im Bierglas oft sehr nützlich.

Wo gab es bei der Entwicklung Knacknüsse?
Am meisten gab’s jeweils am 6. Dezember (lacht). Unser Feind war stets die Zeit. Erst wenn etwas im Dauertest durchkommt, im OP durchgespielt und von vielen Anwendern geprüft wurde, kommt man zum Ende. Vorher gilt optimieren, optimieren, optimieren. Auch sehr herausfordernd ist das ganze Zulassungsprozedere. Da war beispielsweise von unserem Testhaus alleine für die Software-Validierung jemand viermal bei uns. Jedes Mal für vier Tage. Das waren insgesamt 16 Tage Audit. Aufwendig, aber schlussendlich sehr hilfreich für ein sicheres Produkt.

In der Medizintechnik ist das Qualitätsmanagement sehr wichtig. Wie gehen Sie als Start-up mit diesen hohen Anforderungen um?
Das ist neben allem anderen ein sehr aufwendiges Hauptthema. Da haben wir beinahe von Tag eins einen Berater beigezogen, der uns bezüglich Qualitätsmanagement und auch Zulassungsfragen sehr geholfen hat. Zudem haben wir schon sehr früh und sehr eng mit dem Testhaus zusammengearbeitet. Die Prüfung zur elektromagnetischen Verträglichkeit haben wir schon vor mehr als einem Jahr erfolgreich bestanden. Nicht einfach, aber solche Themen muss man so früh wie möglich erledigen. Es gibt noch genügend Unvorhersehbares.

Gemäss Ihrer Website ist «Sophi» bisher das einzige Produkt der This AG. Sind bereits weitere in Planung?
«Sophi» ist die Abkürzung von «Swiss Ophthalmology Innovation ». Wir schreiben also auf unser Gerät, dass wir innovativ sind. Diese Tatsache verpflichtet.

Welche Tipps haben Sie für Studierende, die sich selber überlegen, ein Start-up zu gründen?
Man muss es einfach wagen. Aber vor diesem Schritt gut planen, alle Risiken realistisch abschätzen und einen seriösen Businessplan erstellen. Nie aufgeben und immer an sich und an den Erfolg glauben. Schlussendlich muss man auch unendlich viel Zeit einsetzen. Mit Freude an der Sache empfindet man die eingesetzte Zeit nicht als Opfer, sondern als lohnende Investition. Erfolg haben ist etwas sehr Schönes. Das wünsche ich jedem, der diesen Schritt wagt.

⊲⊲www.sophi.info

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