Vorarlberger Industriekonjunktur: klare Anzeichen für Abstieg vom Konjunkturgipfel 2010

Vorarlberger Industriekonjunktur: klare Anzeichen für Abstieg vom Konjunkturgipfel 2010
MMag. Mathias Burtscher

Lustenau/Feldkirch (A) „Die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage sind zwar noch auf einem hohem Niveau, allerdings bewerten die Vorarlberger Industrieunternehmen die Zukunftswerte durchaus skeptisch, deutet IV-Geschäftsführer MMag. Mathias Burtscher die Konjunkturumfrage im dritten Quartal 2011.

Dies zeige sich besonders klar beim Geschäftsklimaindex, dessen Abwärtstrend seit Beginn des Jahres sich deutlich verstärkt hat. Der drei- und sechsmonatige Ausblick auf die wirtschaftlichen Entwicklungen seien negative Signale und es gelte dringend die richtigen Weichen zu stellen, um am wirtschaftlichen Aufschwung des letzten Jahres wieder anzuknüpfen, so Burtscher.

An der Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung Vorarlberg und der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer Vorarlberg haben sich 45 Unternehmen mit insgesamt 20.926 Beschäftigten beteiligt.

Der Geschäftsklimaindex – das ist der Mittelwert aus der aktuellen Geschäftslage und der Einschätzung der Geschäftslage in sechs Monaten – hat sich im dritten Quartal dieses Jahres um ganze 22,5% auf einen Wert von 16,50 verschlechtert. Zum Vergleich: Mitte des Jahres 2008 lag der Index bei einem vergleichbaren Wert, von wo aus anschließend eine rasante Talfahrt begann. „Unternehmen streben gerade in Zeiten wie diesen nach Sicherheit an den Märkten und klaren Rahmenbedingungen. Die Zukunftsaussicht auf den Märkten zeigt sich allerdings volatil und auch überzogene Forderungen bei den KV-Verhandlungen, die vor allem auf Bundesebene geführte Debatte über die Einführung von neuen Steuern und das Aufschieben von Reformen tun ihr Übriges dazu“, so der neue IV-Geschäftsführer.

Die aktuelle Geschäftslage zeigt sich noch positiv und wird von 59% der Unternehmen als gut und nur von 3% als schlecht bezeichnet. Die Geschäftslage in sechs Monaten wird hingegen von der Vorarlberger Industrie wesentlich skeptischer eingeschätzt: nur 3% erwarten eine günstigere Geschäftslage im nächsten halben Jahr, 70% eine etwa gleich bleibende und 26% eine ungünstigere.

Auf relativ hohem Niveau bewegen sich die derzeitigen Auftragsbestände sowie die Auslandsaufträge: Der Auftragsbestand wird von 61% als gut und nur von 5% als schlecht bezeichnet. Die Auslandsaufträge werden von 61% als gut und nur von 4% als schlecht bewertet. Der Saldo aus „gut“ und „schlecht“ hat sich allerdings bei den Auftragsbeständen gegenüber dem letzten Quartal von 79 auf 56%, bei den Auslandsaufträgen von 79 auf 57%, reduziert.

Positiv, allerdings mit absteigender Tendenz, fällt auch die Beurteilung der derzeitigen Ertragssituation aus: 42% der Betriebe sprechen von einer aktuell guten, 42% von einer durchschnittlichen und 16% von einer schlechten Ertragssituation (Verschlechterung des Saldowertes von +55% auf +27% gegenüber dem Vorquartal). Die Ertragssituation in einem halben Jahr wird von 91% der Betriebe als etwa gleich bleibend und von nur 3% als besser erwartet.

Erfreulich bleibt, dass ein Drittel der befragten Unternehmen in den nächsten drei Monaten ihren Beschäftigtenstand ausbauen wollen (34%). Die aktuellen Entwicklungen lassen erahnen, dass sie vor allem nach Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt suchen. Allerdings gehen auch bereits 12% von geringeren Mitarbeiterzahlen in drei Monaten aus (im Vorquartal waren es noch 3%).

Deutlich zurückhaltendere Erwartungen gibt es bei der Einschätzung der Produktionstätigkeit und der Produktionskapazität in drei Monaten: 10% der Betriebe rechnen mit einer steigenden Produktionstätigkeit, 29% mit einer abnehmenden. Ähnlich sieht es bei der Produktionskapazität aus: 13% erwarten eine steigende, 28% eine abnehmende Auslastung ihrer Produktionskapazität in den nächsten drei Monaten.

Quer durch die Branchen wird mit leicht fallenden Verkaufspreisen in drei Monaten im Vergleich zum letzten Quartal gerechnet: 30% glauben dennoch, dass sie steigen werden, 9% rechnen damit, dass sie schlechtere Verkaufspreise erzielen werden.

Überzogene Lohnforderungen gefährden Unternehmen und Beschäftigung
„Der Vorarlberger Industrie geht es aktuell gut. Trotzdem werden deutliche Signale einer Abschwächung sichtbar“, so IV-Geschäftsführer Burtscher. Der Geschäftsklimaindex, der sowohl die derzeitige als auch die zu erwartende Geschäftslage in sechs Monaten berücksichtigt, weist seit Jahresbeginn einen Abwärtstrend auf, der sich nun noch verstärkt hat. „Es ist daher größte Vorsicht geboten. Um als Unternehmen nachhaltig erfolgreich zu sein, muss immer wieder der Blick in die Zukunft gerichtet und dann die richtige Entscheidung getroffen werden. Wenn nun die Unternehmen zu einem überzogenen Lohnabschluss gezwungen werden, verliert der Betrieb seinen Entscheidungsspielraum, der Rationalisierungsdruck steigt und es kommt zu negativen Auswirkungen für das Unternehmen und für die Beschäftigung. Viel wichtiger wäre eine Senkung der Lohnnebenkosten, damit dem Mitarbeiter mehr bleibt und nicht für die Unternehmen derartig große Bürde entstehen“, so der IV-Geschäftsführer. Auch die Verhandlungskultur sieht Burtscher sehr kritisch: „Bei allem Verständnis für den Wunsch nach höheren Löhnen gerade im unteren Bereich, scheint es doch sehr unverhältnismäßig und standortschädlich, wenn man zu Beginn der Verhandlungen mutwillig Streiks vom Zaun bricht. Vorarlberg wurde zwar bei den Streiks relativ verschont, aber am Ende schlagen sich die Auswirkungen auf Bundesebene bei KV-Verhandlungen auch voll auf Vorarlberg durch und hier gilt es sich dagegen zu wehren.“

Volksbegehren als letzte Chance für Reformen?
Um die negative Tendenz wieder umzukehren, müssen sich nicht nur die Industriebetriebe anstrengen, sondern vor allem muss auch die Politik ihren Beitrag leisten und die Rahmenbedingungen entsprechend gestalten. „Der Auftrag an die Bundespolitik – und an die Landespolitik sich gegenüber dem Bund dafür einzusetzen – ist klar: Durch das Verschieben oder Unterlassen der notwendigen Reformen oder durch das Erfinden neuer Einnahmequellen wird der Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich zunehmend gefährdet. Was spricht beispielsweise dagegen, dass sich die Entscheidungsträger auf eine Bildungsreform mit mehr Schulautonomie, einem einheitlichen Lehrerdienstrecht, mehr Spielraum für Ganztagesbetreuung, einem Ausbau der Frühförderung und einer effizienten Schulverwaltung einigen?“, fragt Burtscher und schließt an: „Bildung ist DER Schlüssel für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand. Aus diesem Grund unterstützt die Industriellenvereinigung Vorarlberg das Bildungsvolksbegehren, um auch auf diesem Weg Druck aufzubauen. Das Suchen von neuen Einnahmequellen in Form von neuen Steuern, ohne vorher Struktur-Reformen anzugehen, ist verfehlt“.

Die Ergebnisse der einzelnen Branchen
Bei der Maschinen- und Metallindustrie zeigt sich ein heterogenes Bild. Die positive Beurteilung der aktuellen Geschäftslage nimmt zwar leicht ab, immerhin noch 67 % der Befragten beschreiben sie aber als gut und kein Betrieb bezeichnet sie als schlecht. Beim derzeitigen Auftragsbestand sowie den Exporten sprechen 67% (Auftragsbestand) und 74% (Auslandsaufträge) der Unternehmen in dieser Branche von guten Entwicklungen. Ein deutlicher Wehrmutstropfen sind in dieser Branche aber die Produktionstätigkeit und die Auslastung der Produktionskapazität im nächsten Quartal. Während 14% von einer steigenden Produktionstätigkeit ausgehen, rechnen 60% der befragten Betriebe mit einer abnehmenden Produktionstätigkeit. Bei der Produktionskapazität erwarten nur 12% eine Erhöhung und 60% einen Rückgang. Der Saldo fiel von plus 29% auf minus 47% innerhalb eines Quartals. Auch die derzeitige Ertragsentwicklung und die Einschätzung jener in sechs Monaten nehmen ab. Eher Grund zum Optimismus gibt die Entwicklung beim Beschäftigtenstand in drei Monaten, der im Saldo von 16 auf 45% steigt. Das bedeutet nicht zuletzt, die Maschinen- und Metallindustrie sucht nach wie vor händeringend um qualifizierte Mitarbeiter.

In der Nahrungs- und Genussmittelindustrie ist die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage positiver als im letzten Quartal: 58% bewerten diese als gut, 42% als durchschnittlich. In den nächsten sechs Monaten soll die Geschäftslage etwa gleich bleiben. Erfreulich haben sich die Auftragsbestände entwickelt: 95% sprechen von einer guten Entwicklung und keiner spricht - ebenso wie bei den Auslandsaufträgen - von einer schlechten. Nicht so positiv wird in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie die Entwicklung der Verkaufspreise (Saldo zwischen „steigend“ und „fallend“ sinkt von 19 auf 6%) und sowohl die Produktionstätigkeit als auch die Auslastung der Produktionskapazität in drei Monaten gesehen, deren Saldo jeweils von 64 auf 37% sinkt. Am deutlichsten negativ entwickelt sich die derzeitige Ertragssituation. 42% (!) sehen eine schlechte Ertragssituation, was vor allem auf die hohen Rohstoffpreise zurückzuführen ist.

In der Textilindustrie bezeichnen 38% der befragten Unternehmen die aktuelle Geschäftslage als gut und 51% als durchschnittlich. Der Saldo hat sich damit leicht verbessert. Auftragsbestand und Auslandsaufträge verlieren jeweils knapp gegenüber dem Vorquartal. Leicht besser eingeschätzt werden die Produktionstätigkeit und Produktionskapazität in den nächsten drei Monaten. Die restlichen Paramenter (Ertragssituation in sechs Monaten, Verkaufspreise und Beschäftigtenstand in drei Monaten) werden überwiegend gleichbleibend eingeschätzt.

Generell konstant gegenüber dem Vorquartal zeigt sich die Elektroindustrie. In dieser Branche sagen 85%, dass die derzeitige Geschäftslage sowie der Auftragsbestand gut seien, 15% bewerten beides als durchschnittlich. Auffallend ist jedoch, dass die Produktionstätigkeit und die Produktionskapazität in drei Monaten, ebenso wie der Beschäftigtenstand in drei Monaten, etwas negativer gesehen werden. Die derzeitige Ertragssituation ist leicht negativ, jene in sechs Monaten etwa gleichbleibend.

Die Umfragemethode:
Den Unternehmen werden vier Antwortmöglichkeiten gegeben: gut, neutral, negativ und nicht zutreffend. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, und dann wird die konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

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