Mobilität der Zukunft | Systemtechnik (Systeme)

Mobilität der Zukunft | Systemtechnik (Systeme)
Mobilität der Zukunft

Die thyssenkrupp ist Technologieführer im Bereich Lenksysteme und Massivumformung. Die internationale Automobilindustrie vertraut seit Jahren auf die Innovationskraft des Unternehmens. Auch mit der NTB verbindet thyssenkrupp eine intensive Zusammenarbeit, zum Beispiel im Rahmen des Projekts Praktikumsjahr nach der Matura sowie in vielfältigen Kooperationen mit einzelnen Instituten. Im Interview mit «NTB Folio» spricht Michael Drolshagen, CEO der Lenkungssparte von thyssenkrupp, über die Mobilität der Zukunft und die Bedeutung der Systemtechnik.

Michael Drolshagen ist seit 2018 CEO der Lenkungssparte im thyssenkrupp-Konzern. Zuvor verantwortete er beim Automobilhersteller Porsche den weltweiten Aftermarket-Bereich und war Geschäftsführer der Porsche Connect GmbH. Davor war er Produktionsleiter der Porsche 918 Spyder-Manufaktur in Stuttgart. Vorausgegangen waren Managementpositionen in unterschiedlichen Entwicklungs- und Produktionsbereichen des Sportwagenherstellers. Seine berufliche Karriere begann Michael Drolshagen beim Automobilzulieferunternehmen Hella unter anderem als Projektleiter für Beleuchtungs- und Klimatechnologie.

Herr Drolshagen, können Sie uns sagen, wie die Mobilität der Zukunft aussehen wird?
Wie lange werden wir noch in Autos unterwegs sein? Zukunftsvorhersagen sind so eine Sache. Ich finde es aufschlussreicher, zu beobachten, wie sich die Kundenbedürfnisse in Bezug auf Mobilität und das Auto verändert haben. Was wir sehen, ist, dass sich das Auto in den letzten zehn Jahren mehr und mehr zu einer digitalen Plattform verwandelt hat. Es ist damit ein Baustein innerhalb eines immer stärker vernetzten und digitalisierten Ökosystems. Unsere Autos kommunizieren heute schon mit anderen digitalen Plattformen – mit unseren Smartphones, mit Gebäuden, mit Satelliten. Der Stellenwert des digitalen Interieurs hat im Vergleich zu den klassischen Leistungsmerkmalen eines Autos, wie Motorleistung oder Design, drastisch an Bedeutung gewonnen.

Welche Rückschlüsse auf das zukünftige Nutzungsverhalten lässt das zu?
Die entscheidende Frage im Hinblick auf das Nutzungsverhalten ist, ob sich Mobilität zukünftig deutlich stärker zu einem reinen Konsumgut verwandeln wird im Sinne von: Wie komme ich am schnellsten und effizientesten von A nach B und welcher Tätigkeit kann ich in dieser Zeit nachgehen? Vieles spricht dafür, dass sich durch die zunehmende Digitalisierung und stärker autonome Verkehrsströme das Nutzungsverhalten der Konsumenten verändern wird. Das Auto wird zu einem Multifunktionsort, in dem gearbeitet wird oder überwiegend Kommunikation und Infotainment stattfindet. Das ist auch der Grund, warum neue digitale Spieler das Auto als Geschäftsmodell für sich entdeckt haben.

Der Traum vom autonomen Fahren – ist er wirklich realistisch und wie schnell könnte er Wirklichkeit werden?
In Teilen ist er bereits heute schon Wirklichkeit. Fahrerassistenzsysteme wie Einparkhilfe, Spurwechselassistent oder Abstandswarner benutzen wir heute ganz selbstverständlich. In wenigen Jahren werden wir in bestimmten Fahrsituationen, wie zum Beispiel auf Teilstrecken von Autobahnen oder beim Einparken, auf autonome Systeme zurückgreifen können. Der Mensch als Fahrer und damit als Rückfallebene bleibt allerdings noch gefordert. In den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren werden wir erleben, dass der Fahrer mehr und mehr Kontrolle über das Fahrzeug abgeben kann. Er wird in gewissen Situationen noch ins Fahrgeschehen eingreifen können, aber im Grossen und Ganzen wird er seine Zeit mit anderen Tätigkeiten als dem aktiven Fahren verbringen. Damit wird die Schwelle vom assistierten zum autonomen Fahren überschritten. Der nächste Entwicklungsschritt werden vollständig autonom fahrende Fahrzeuge sein, die sich mit oder ohne Fahrer ihren Weg durch die Verkehrsströme bahnen werden.

Welche Rolle kann thyssenkrupp in diesen Szenarien spielen?
thyssenkrupp ist zum einen als globaler Automobilzulieferer ganz unmittelbar von diesem Trend betroffen. Wir stehen im engen Austausch mit den Automobilherstellern und wissen, vor welchen technologischen Herausforderungen sie stehen. thyssenkrupp fokussiert dabei auf elektrische bzw. mechatronische Komponenten, wie Lenk- und Dämpfersysteme, die funktionsrelevant und tief im Gesamtsystem des Fahrzeugs integriert sind. Mit der Weiterentwicklung dieser Systeme tragen wir dazu bei, automatisiertes Fahren sicher auf die Strasse zu bringen.

Darüber ist thyssenkrupp mit seiner Aufzugsparte heute schon Anbieter von autonom fahrenden Mobilitätslösungen in urbanen Räumen – sowohl innerhalb von Gebäuden als auch in öffentlicher Infrastruktur. Solche Systeme werden zukünftig ein wichtiges Bindeglied zwischen dem autonomen Individualverkehr und dem Personentransport innerhalb von Grossstädten oder wichtigen Verkehrsknotenpunkten wie Flughäfen darstellen.

An welchen neuen Technologien arbeiten Sie in Ihrem Bereich, dem Lenkungsgeschäft von thyssenkrupp?
Ausgehend von unseren elektronisch unterstützten Lenkungen arbeiten wir derzeit an sogenannten Steer-by-wire Systemen. Das sind Lenkungen, die ohne durchgehende mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Rädern auskommen. Der Lenkbefehl wird wie in Flugzeugen rein elektrisch übertragen. Das Lenken per Datenkabel erlaubt ganz neue Fahrzeugarchitekturen. Zudem eröffnet es auch neue Freiheitsgrade in Sachen Lenkgefühl und Fahrzeugreaktion. Auch für stärker autonom fahrende Fahrzeuge könnte Steer-by-wire interessant werden. Wenn zukünftig auf längeren Strecken der Autopilot das Steuern übernimmt, ermöglicht Steer-by- wire aufgrund der fehlenden mechanischen Zwischenebene ein Versenken bzw. Herausfahren des Lenkrades ins Cockpit. So kann der Fahrer den Raum vor sich für andere Dinge nutzen. Unsere Entwickler haben für dieses Szenario eine versenkbare Lenksäule entwickelt, die eine alternative Nutzung des Fahrzeuginnenraums ermöglicht.

Welche Bedeutung spielt die Systemtechnik im Zuliefergeschäft angesichts neuer Trends wie dem autonomen Fahren und der Elektromobilität?
Systemkompetenz spielt im Zuliefergeschäft eine immer grössere Rolle. Je vernetzter die Komponenten und Bauteile sind, desto relevanter werden sie für das Gesamtsystem Auto. Deshalb beschäftigen wir uns intensiv mit den Daten, die über Kameras und Sensoren erfasst und verarbeitet werden. Uns interessiert dabei in erster Linie die Schnittstelle, an der aus dem zentralen Steuerungsgerät die Informationen aus der Umfelderkennung an das Fahrwerk – also an Lenkung, Bremsen und Dämpfer – übermittelt werden. An dieser Schnittstelle setzen wir an und entwickeln integrierte Kontroll- und Steuerungssysteme, die autonome Fahrmanöver verbessern. Die zunehmende Elektrifizierung des Autos wird ebenfalls Auswirkungen auf das Zusammenspiel von Antriebs- und Fahrwerksystemen haben. Durch eine intelligente Integration und Regelung dieser Systeme können wesentliche Funktionen des Autos ganz neu gedacht werden. Um diese Zusammenhänge besser zu verstehen, haben wir in den vergangenen Monaten eine fahrende modulare Forschungsplat form aufgebaut. Das ermöglicht es uns, integrierte Funktionen schneller und kostengünstiger testen zu können.

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