Die Küche der Zukunft: Digitalisierung und neue Technologien

Die Küche der Zukunft: Digitalisierung und neue Technologien
Zentrifugierte Cherrytomaten und Salatgurken. Der Überstand nach 20 Minuten (14 000 U/min, bei Raumtemperatur) enthält die Essenz dieser Gemüse.

Die Baustoffe unseres Körpers und die Energie für unsere Lebensfunktionen führen wir uns durch Nahrungsaufnahme zu. Der «Homo heidelbergensis» aus Ungarn verstand es bereits vor ca. 500 000 Jahren, durch die Beherrschung des Feuers Nahrung für den effizienteren Verzehr und die Lagerhaltung (Bakterienabtötung) zu bearbeiten.

Dabei entdeckte er auch, dass sowohl Aromen als auch die Verträglichkeit der Nahrung positiv beeinflusst werden. Die erste Nennung vom Kochberuf findet sich auf «Sumerischen Tafeln» um ca. 4000 vor Christus. Etwa 1000 Jahre später entwickelte sich die altindische Heilslehre «Ayurveda», also sozusagen der Beginn der modernen Diätetik. Und das «Liber de Coquina» ist das erste bekannte mittelalterliche Kochbuch, veröffentlicht in Frankreich um 1300 nach Christus. Und dann – sozusagen als Sternstunde der Kochgeschichte – ging der 21. Januar 1937 um 9 Uhr 25 ein: der französische Koch und Kochbuchautor Marcel Boulestin zeigte in einer Viertelstunde die Zubereitung eines Omeletts im BBC in der endereihe «Cook’s night out». Der Fernsehkoch wurde geboren, quasi der homo erectus gastronomicus televisionensis. Von da an ging die Entwicklung rasend schnell.

Modernes Kochen ist heute im Wesentlichen ein mit viel Erfahrung unterlegtes Handwerk unter Einsatz technisch ausgeklügelter Geräte. Wie bei allen Verfahren ist auch beim Kochen die exakte Prozessführung mit den richtigen Prozessparametern entscheidend – und eben das Verständnis der physikalischen und chemischen Vorgänge bei der Zubereitung von Speisen aus Lebensmitteln. Essen ist Emotion. Essen ist Spass.

Der technische Fortschritt hat auch die Küche revolutioniert. Die Mikrowelle stand sicherlich am Anfang dieser Entwicklung und wurde bereits in den 1940er-Jahren erstmals eingesetzt. Heute hat der Combisteamer einen solch zentralen Platz in der Küche eingenommen. Ebenso gehört der Induktionsherd dazu: intelligente Induktionskochfelder heizen genau an jenem Ort, wo sich ein entsprechendes Kochgeschirr in beliebiger Grösse und Form aufhält. Der Kühlschrank weiss, was sein Inhalt ist und kann selbstständig Milch und Butter nachbestellen, die Geschirrspülmaschine adaptiert sein Programm nach Verschmutzung und alles ist im Smart-Home integriert und lässt sich via App steuern.

Die Digitalisierung erfasst die Gastronomiebranche ebenso: Kochgeräte werden vernetzt, Sensoren erfassen den Garprozess rundherum, protokollieren Programmabläufe und kommunizieren mit ERP-Systemen. Auch im Bereich Automatisierung werden erste kollaborative Robotersysteme eingesetzt, die Rüstarbeiten übernehmen, Geschirr waschen und sortieren oder sogar ganze Gerichte zubereiten.

Avantgardistische Köche haben sich mit Wissenschaftlern zusammengetan und Verfahren aus dem Labor zu eigen gemacht. So verwenden sie beispielsweise flüssigen Stickstoff für sogenanntes «Cryocooking» bei minus 196 °C, um frische Lebensmittel Schock-tiefzugefrieren und beispielsweise Instant-Glace aus Rahm und Früchten herzustellen oder eine Orange in seinen kleinen Saftschläuchen («Orangentränen ») zerspringen zu lassen wie eine Glasscheibe. Diese Köche bedienen sich auch Präzisionswaagen und sehr exakten Temperaturen bei ihrer Arbeit sowie genauer Prozesskontrollen. So wird das im Beutel unter Vakuum eingeschweisste Lebensmittel sehr schonend und hoch präzis temperiert im geregelten Wasserbad zubereitet. Kollagenarmes Rindfleisch wie ein Steak wird bei 54 °C gegart, was «Sous-vide- Garen» genannt wird. Da gibt es bereits auch Anbieter für die Küche zu Hause. Thermomix, Holdomat oder Salamander sind weitere interessante moderne Küchengeräte. Wissen Sie, was «pacossieren» heisst? So nennt man das Mikropürieren und Portionieren von gefrorenen, hoch-viskosen Lebensmitteln. Und zwar ohne auftauen, mittels Überdruck und mit 2000 U / min rotierenden, gehärteten Messern eines «Pacojet»-Geräts. Wenn es ein Gerätehersteller also schafft, den Namen seines Kochgeräts zum Synonym einer in der Branche akzeptierten Verarbeitungsmethode zu machen, ist er definitiv etabliert.

Aktuell werden auch erste 3-D-Drucker in der Küche eingeführt, momentan vorzugsweise im Dessertbereich, zur Herstellung von aufwendigen Zucker- oder Schokoladenpräsentationen. Aber auch bei Schluckbeschwerden (Dysphagie) werden gedruckte Mahlzeiten anstelle von püriertem Saft eingesetzt. Bei den Öfen kommt die technologisch neuste Innovation von Siemens und wird Dialog-Garer genannt. Hier werden anstelle von 2,4 GHz Mikrowellen GSMMobilfunkfrequenzen bei 890 bis 960 Megahertz verwendet, die ins Innere der Lebensmittel eindringen und das gesamte Volumen erreichen. Gleichzeitig wird die absorbierte Leistungsverteilung im Inneren des Garraums gemessen und dynamisch angepasst. Natürlich ist es nur eine Frage der Zeit, dass weitere Verfahren zur Arbeitswelt der Gastronomen herangenommen werden, zu nennen wären hier die Zentrifuge, um Lebensmittel inhaltlich schnell nach Dichte aufzutrennen oder Rotationsverdampfer, um Reduktionen zu machen oder Aromen zu extrahieren.

Die Vision einer nicht allzu fernen Zukunft handelt von der Zubereitung der Speisen, welche die individuellen Bedürfnisse des Gastes abdecken – also die personalisierte Ernährung. Diese basiert dann auf der persönlichen Diagnostik sowie auf der genetischen Analyse des Mikrobioms und berücksichtigt alle bisher erhobenen Daten über Nährstoffe, Krankheiten und den Wissensstand unserer Gesellschaft in Form von Big Data. Arzt und Koch arbeiten dann Hand in Hand für die Gesundhaltung der Menschen.

Die NTB bietet auch für den Food-, Agro- und Gastrobereich ihren systemtechnischen Ansatz und stösst Innovationsprozesse in etlichen Industrieprojekten an. So arbeiten NTBWissenschaftler an Themen der vernetzten digitalen Küche der Zukunft, erarbeiten Konzepte fürs Smart-Farming, entwickeln intelligente Kochherde, Geschirrspüler und Kühlschränke oder verbessern die Prozesse beim Vakuumverpacken von Fleisch und anderen Lebensmitteln. Damit leistet die NTB einen grossen Beitrag an der Weiterentwicklung des Food-Systems in der Schweiz.

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