Eine Vorarlbergerin macht "Wiener Seife"

Eine Vorarlbergerin macht
Sonja Baldauf, Geschäftsführerin der Wiener Seifenmanukatur (Foto: Robert Fritz)

Bevor die Bregenzerwälderin Sonja Baldauf 2006 in Wien ihre Zelte aufschlug, war die Schweiz rund 15 Jahre ihr Lebensmittelpunkt – dort wurde sie überhaupt erst auf die grandiose Seife aus Wien aufmerksam.

Aber der Reihe nach: Die 1961 in Doren geborene quirlige und lebenslustige Sonja Baldauf macht ihren Handelsschulabschluss, heiratet recht jung, bekommt mit 21 eine Tochter. Nach der Schule beginnt sie bei der Hypo Bank, ist dort für den Materialeinkauf der Drucksorten verantwortlich, darf die Formulare »ein wenig gestalten«. »So bin ich in die Grafik hineingerutscht, die Druckwelt fasziniert mich heute noch«, erzählt sie. Damals waren Computer noch weit davon entfernt, alltägliches Arbeitsgerät zu sein, die Mitarbeiter noch nicht offen dafür. Bis auf eine: Sonja Baldauf. Sie arbeitet sich voller Begeisterung in die Welt der Computer ein, bald darauf verschlägt es sie via Werbeagentur ins Apple Universum, wo sie alles von der Pike auf lernt. Der Rund-um-die-Uhr-Job lässt sich irgendwann mit dem Privatleben der mittlerweile Alleinerziehenden nicht mehr vereinbaren, sie wechselt zu Piz Buin. Monatelang hat der Sonnenkosmetikhersteller jemanden mit Mac-Erfahrung gesucht. Es gab niemanden. Bis Sonja Baldauf die Bildfläche betritt und von nun an das Verpackungsdesign übernimmt.

Als Baldaufs Tochter elf ist, zieht sie mit ihr in die Schweiz, zu Christoph Hegglin, einem Banker, den sie während der Faschingszeit in Bregenz kennengelernt hat. »Er war Saxophonist bei einer typischen Schweizer Guggenmusik und als solcher mit seiner Truppe von der Stadt Bregenz eingeladen worden. Ich war mit meiner Schwester in einem Restaurant, die Tür geht auf, er kommt rein, sein Saxophon umgehängt, und fängt mit mir zu plaudern an. Ein Jahr später bin ich in die Schweiz gezogen«, beschreibt sie den Augenblick der privaten Wende vor 25 Jahren. Fortan hat sie ihren Lebens- und Berufsmittelpunkt bei den Eidgenossen, gut 15 Jahre lang. Bis sie 2006 entscheidet: Ab jetzt soll’s Wien sein. Weil der Ruf der Wiener Seife sie ereilt hat: »Die muss weiterleben, in die Neuzeit gerettet werden!«

Wie kommt man, wenn man in der Schweiz lebt, auf Seife aus Wien?
Ich hab einen Bericht über Friedrich Weiss und seine hochwertige, kaltgerührte Seife im TV gesehen. Über ein Jahr habe ich diese Seifen intensiv verwendet, sie mir aus Wien schicken lassen. Alles andere – Duschgel, Shampoos, Putzmittel – ist bei mir daheim sukzessive verschwunden. Ab und zu bin ich auch zu Herrn Weiss nach Wien gefahren und hab mir die Seifen geholt – inklusive Bestellungen von Nachbarn, Freunden und Verwandten. Irgendwann hat Herr Weiss gefragt, ob ich die Seifen denn nicht in der Schweiz vertreiben möchte. Das war der Plan.

Schlussendlich hat es Sie aber nach Wien verschlagen – warum?
Ich wollte in der Schweiz einen Seifenladen eröffnen. Kurz vor Vertragsunterzeichnung ist Herr Weiss überraschend gestorben, die Seife wurde nicht mehr produziert. Mein erster Gedanke war: »Dann verkaufe ich die Seifen halt nicht nur, sondern produziere sie auch.«

Das hätten Sie ja aber auch in der Schweiz machen können …
Stimmt. Aber meine Entscheidung war: Wir setzen die Wurzeln in Wien – weil das Produkt von hier ist, Herr Weiss die Seifen hier entworfen hat. Und deshalb muss alles rund um diese Seife hier in Wien bleiben.

Klingt sehr patriotisch – wie ging’s weiter?
Herr Weiss war Einzelunternehmer, mit seinem Tod ist sozusagen alles verfallen, die Gewerbeberechtigung und so weiter. Deshalb konnte ich die Firma nicht einfach übernehmen. Ein ehemaliger Mitarbeiter von Herrn Weiss kannte die Seifenrezepturen. Mit ihm zusammen habe ich mich dann selbständig gemacht und Seife produziert. Ihm wurde das Unternehmerische bald zu viel, er ist ausgestiegen, war anschließend als Angestellter für mich tätig. Mehrere Jahre habe dann ich – unter seiner Regie – die Seife produziert.

Kümmern immer noch Sie selbst sich um die Seifenherstellung?
Seit einigen Jahren macht das Christoph, mein Lebensgefährte.

Ist Seifensieden eine eigene Wissenschaft?
Ja. Aber grundsätzlich ist es eine Rezeptur, die jeder einhalten muss: So und so viel Öl und so und so viel Lauge – daran muss sich jeder Seifensieder halten. Aber welches Öl, bei welcher Temperatur und was sonst noch hinzugefügt wird, das bleibt jedem Seifensieder selbst überlassen. Herr Weiss hat lange getüftelt, wie man Seifen am besten macht. Er war noch von der alten Garde, hat diesen Beruf erlernt. Dort, wo er gearbeitet hat, gab es Maschinen, es wurden billige Seifen hergestellt. Herr Weiss wollte das nicht mehr. Er wollte eine ganz besonders tolle Seife entwickeln. Das ist ihm gelungen.

Kann man auch heute noch den Beruf des Seifensieders erlernen?
Nein, leider nicht. Heute kann jeder mit ein bisschen chemischem Background Seifensieder werden.

Sie haben mit Ihrem Unternehmen »Wiener Seife« rund 70 Seifen im Sortiment. Mögen Sie alle oder haben Sie eine Lieblingsseife?
Das ist schwer, mir gefallen schon fast alle. Bei mir ist es eher umgekehrt: Es gibt zwei, die ich nicht so gerne mag. Aber klar, ich habe auch so meine Lieblingsseifen: die Patchouly und die Jade Seife. Und die Salzseife natürlich.

Wie gehen Sie an die Kreation einer neuen Seife heran? Von Seiten des Problems à la »Meine Haare sind elektrisch, was hilft dagegen?« oder ist der Ansatz ein anderer?
Erstens sind wir ja auch selbst Konsumenten und bringen unsere Erfahrungen mit ein. Zweitens haben wir viel Kontakt mit unseren Kunden, beraten sie, erfahren viel über deren Bedürfnisse, Wünsche, Hauttypen und Probleme. All das sammle ich und recherchiere viel. Dabei komme ich immer wieder auf alte Tipps, also so, wie’s früher war. Die künstlichen Produkte gibt’s alle, die muss ich nicht neu erfinden.

So in der Art »Das haben unsere Großmütter schon so und so gemacht«?
Genau. Wenn ich zum Beispiel lese »Früher haben die Omas gegen graue Haare Zwiebelextrakt in die Kopfhaut einmassiert«, bin ich gleich Feuer und Flamme. Dann telefoniere ich die Firmen durch, bei denen ich meine Rohstoffe beziehe – die müssen mir sofort Muster schicken, damit ich eine Testseife machen kann.

Eine Seife mit Zwiebelextrakt – riecht die nicht ein wenig … eigenwillig?
Ja! Die stinkt nach Zwiebel! Also brauche ich einen Duft dazu. Ich habe Eukalyptus gewählt, das regt die Durchblutung der Kopfthaut an – diese Seife ist umwerfend! Und sie macht Sinn.

Soll heißen: Sie kreieren Seifen nicht um deren Farbe oder Duft willen, sondern  weil sie einen Zweck erfüllen, sinnvoll sein soll?
Richtig. Alles, was in meinen Seifen enthalten ist, macht Sinn – ob Heilerde, Zwiebel, Hopfen, Salz oder Molke. Die nächste Kreation ist eine Molkeseife, sozusagen in Kooperation mit Johannes Lingenhel, auch ein Vorarlberger, der in der Landstraßer Hauptstraße selbst Käse herstellt. Donnerstag macht er Käse, Freitag bekomme ich frische Molke und dann geht’s sofort ans Seifensieden. So schließt sich der Kreislauf.

Worin liegt der Unterschied von handwerklich hergestellter, kaltgerührter Seife wie der Ihren und industriell gefertigter Seife à la Dove oder Nivea?
Industriell hergestellte Seifen trocknen schnell aus. Wie schon erklärt, werden Öl und Lauge in einem bestimmten Verhältnis gemischt, in kleines Granulat zermahlen, dann wird ein bisschen Aloe Vera und Duft und was halt sonst noch auf den jeweiligen Verpackungen steht, hinzugefügt. Anschließend wird die Seife mit unheimlich hohem Druck gepresst. Wenn solche Seifen dann mit Wasser in Berührung kommen, werden sie rissig. Wir Naturseifenhersteller fertigen kein Granulat, sondern machen eine Masse, die in Form gegossen und schlussendlich geschnitten wird. Unsere Seifen sind keiner Spannung ausgesetzt, darum werden sie nicht rissig. Sie gatschen halt auf, wenn sie im Wasser liegen, aber das liegt in der Natur der Seife.

Ist Seife eigentlich vorwiegend eine Frauenthema oder kaufen auch Männer bei Ihnen?
Das ist eine ganz gute Frage … Anfangs, wenn man den Businessplan macht, denkt man vordergründig an Frauen, auch jene, die Seife für ihre Männer kaufen. In der Realität wird das aber geschätzt fifty-fifty sein. In unseren Laden kommen viele Männer, auch junge, mit ihren Problemen und Fragen. Die fühlen sich wohl bei uns und gut beraten.

Thema Handhabung – wie sieht’s mit dem Hygienefaktor aus, wenn daheim mehrere Menschen ein Stück Seife benutzen?
Wenn man sich mit Seife wirklich befasst und sie kennenlernt, bekommt sie auch zu Hause den richtigen Stellenwert. Vielleicht wird das dann ein ganz persönliches Stück Seife, nur für einen selbst. Oder man sagt innerhalb einer Familie: Dieses Stück Seife ist fürs Zähneputzen, das da fürs Haarewaschen und jenes für die Gesichtspflege. Es ist nichts anderes als mit Tuben, Tiegel und Flaschen – Ihre Tochter verwendet sicher nicht Ihre Gesichtscreme oder Zahnpasta, sondern hat ihre eigenen Produkte …

Stimmt …
Und genauso verhält es sich mit Seife. Die entsprechende Philosophie muss jeder für sich selbst finden. Seife ist schon etwas Intimes, das man vielleicht lieber für sich selbst haben will und nicht teilen mag. Seife macht nicht nur sauber, sie pflegt zudem, nährt Haut, Haare, Zähne.

Haben Sie – abgesehen von Seife – bestimmte Beautyrituale?
Da muss ich grad überlegen (denkt lange nach) … Bei mir wird alles mit Seifen abgedeckt. Okay, ich hab noch einen kleinen Lanolinbalsam, gemischt mit Jojobaöl, das verwende ich zum Eincremen, aber im Prinzip sind das auch Zutaten, die ich für meine Seifenherstellung brauche. Ansonsten halt die dekorative Kosmetik, also ein bisschen Farbe im Gesicht – das kann ich mit Seife nicht abdecken (lacht). Und zwei Mal im Monat gönne ich mir eine Shiatsu Massage, das ist für mich eine Art Heiligtum, die bringt mich wieder ins Gleichgewicht. Aber ansonsten … selbst ein Fußbad oder das Putzen sind bei mir mit Seife verbunden …

Das Putzen?
Ja, Schmierseife ist ja ein Haushaltsreiniger. Und nicht nur – ich habe viel von meinen Kunden gelernt. Krankenschwestern von der Rudolfsstiftung (Anmerkung: ein Krankenhaus, das sich zwei Gassen weiter befindet), auch solche aus der Altenpflege, haben mir erzählt, was man beispielsweise mit Schmierseife alles machen kann. Schmierseife war früher ein medizinisches Produkt. Wenn mich im Winter eine Bronchitis plagt, lege ich mir am Abend eine angewärmte Schmierseife auf den Brustkorb. Das hilft.

Überlieferte Rezepturen sind ja oftmals die besten – womit wir »back to the roots« wären: Sie sind Vorarlbergerin – was vermissen Sie von Ihrer Heimat? Käsknöpfle vielleicht?
Käsknöpfle mach’ ich mir selber. Was ich vermisse ist dieser Weitblick – wenn ich daheim in Doren bin und aus dem Fenster schau, seh’ ich bis zur Mittagsspitze. Ich mach fast jedes Mal Fotos, weil wetterbedingt immer eine andere Stimmung herrscht. Dieser Horizont, diese in die Ferne gerückten Berge – das ist schon was Besonderes. Was Vorarlberg außerdem ganz stark hat, und die Schweiz noch viel mehr: die Qualität von allem, egal was es ist. Die Lebensmittel, das Handwerken, die Schindeln vom Haus – Qualität und Material sind wichtig, den Leuten ist das enorm wichtig, sie lieben diese Qualität. Ich sag immer: Ich brauch’s nicht billig, ich brauch’s gut und beständig. Hier in meiner Welt kann ich das zum Glück auch, ich kann meinen Qualitätsanspruch voll ausleben.

Wie geht’s mit Sonja Baldauf und der »Wiener Seife« weiter? Haben Sie Expansionspläne?
Wir wagen den Schritt in den ersten Bezirk – am 1. Juni eröffnen wir einen kleinen Laden in der Herrengasse. Meine Tochter wird aller Voraussicht nach in der Schweiz einen Laden aufmachen und dort unsere Seifen verkaufen. Das bedeutet: Wir müssen die Produktion anheben. Deshalb ziehen wir mit unserem Geschäft hier zwei Häuser weiter, in die Hintzerstraße Nr. 2. Zuerst bauen wir um, bevor wir dann im September eröffnen. Den jetzigen Standort (Anm.: Hintzerstraße 6) behalten wir als Büro und direkt gegenüber, dort, wo wir ganz ursprünglich vor elf Jahren begonnen haben, ist unsere Manufaktur, dort produzieren wir unsere Seifen.

Und so schließt sich auch hier wieder der Kreis …
Genau!

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WS Wiener Seifenmanufaktur GmbH

  Hintzerstraße 6, 1030 Wien
  Österreich
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